Eine kleine Geschichte

Der Horrortrip am Sonntag
Charles B., ein an und für sich unauffälliger Bürger der Osnabrücker Neustadt und Anwohner der Johannisstraße, erwacht am frühen Sonntag morgen gegen sieben Uhr. Noch etwas schlaftrunken verrichtete er seine Morgengeschäfte. Angetan mit Schlafanzughose, Unterhemd und Schlappen ohne Brille und Gebiss durchstreifte er die Wohnung. Sein Weg führt ihn zur Balkontür, die zu U-Haftanstalt gelegen ist. Auf dem Balkon erspähte er einen gefüllten Müllbeutel. Das rief seinen Ordnungssinn wach. Flugs öffnete er die Balkontür mittels des dafür vorgesehen Hebels (der noch eine Rolle spielen wird), um den Müll in den Keller zu verbringen. Auf dem Balkon schnappte er etwas Luft an diesem mit ca. 7° C doch etwas kühlen Frühlingsmorgen. Plötzlich entstand auf der Straße Lärm. Neugierig, wer zu dieser frühen Stunde so einen unbotmäßigen Krach macht schaute er in Richtung U-Haft – Straße und da tat das Schicksal was es immer tut, es schlug zu. Es schlug zu mit einem Windstoß, der die Balkontür ins Schloss warf. Durch den Schlag kippte der Hebel nach oben und die Tür war zu. Leichte Panik breitete sich in Charles B. aus. Wohnte er doch im 2. Stock! Er klopfte an die Tür um sich bei seiner Frau bemerkbar zu machen. Diese jedoch tat das was alle – na, sagen wir die meisten – Frauen am Sonntag morgen um 7 Uhr tun: Sie hörte im entscheidenden Moment nicht, sondern schlief. Schlief selig und wahrscheinlich auf beiden Ohren. Die Nachbarn, so wusste Charles B., hatten bis in den Morgen gefeiert und erheblich dem Alkohol zugesprochen. Also kamen diese als Retter nicht in Frage, da sie wahrscheinlich noch von Bacchus umschlungen schliefen. Da kam die Rettung. Sie kam in Form einer Idee. Steht nicht immer im Hausflur ein Fenster offen? Und befindet sich dieses Fenster nicht direkt unter dem Balkon? Und kann man das Fenster nicht von dem Vordach aus erreichen? Man braucht sich also nur vom Balkon zu hangeln, durch das Fenster einsteigen um dann fröhlich an der Wohnungstür klingelnder Weise Einlass zu begehren. Das Klingeln sollte die Dame des Hauses ja wohl hören! Gedacht – getan! Charles B. kletterte - in Schlafanzughose, Unterhemd und Schlappen ohne Brille und Gebiss – über das Geländer und ließ sich vorsichtig in die Tiefe. Als er mit gestreckten Armen - in Schlafanzughose, Unterhemd und Schlappen ohne Brille und Gebiss – hing, sah er nach unten. Es fehlte ungefähr noch ein Meter! Wenn ich mich fallen lasse, muss ich mich sofort abrollen, denkt er, um mir nicht noch die Füße zu brechen. Also loslassen, fallen, abrollen nach links und Landung in einen Pfütze. Aus der U-Haft wurden Rufe nach der Obrigkeit wegen eines Ausbruchversuches laut, doch verhalten sie ungehört. Charles B. kletterte - in etwas nasser Schlafanzughose, Unterhemd und Schlappen ohne Brille und Gebiss – nun in das Fenster.
Aus der U-Haft wurden Rufe nach der Obrigkeit wegen eines Einbruchversuches laut. Doch auch diese verhalten ohne Wirkung. Im Hausflur erholte er sich etwas von der ungewohnten Kletterpartie. Danach klingelt er an der eigenen Wohnungstür. Doch seine Frau schlief immer noch auf beiden Ohren. Will heißen, das klingeln nutze nichts. Was tun? Die Rettung : Der Schwiegervater wohnt ja nur drei Häuser weiter und hat doch einen Schlüssel! Also auf! Vorsichtig spähte Charles B. - in etwas nasser Schlafanzughose, Unterhemd und Schlappen ohne Brille und Gebiss – aus der Tür auf die Johannisstraße, wegen der Leute! Keiner da, also los! Schnell war das Haus des Schwiegervaters erreicht und der Daumen auf den Klingelknopf gelegt. Aber dieser verrichtete gerade in der Ruhe des Alters sein Morgengeschäft, was ihn daran hinderte, schnell zur Tür zu gehen. Dieses ist bekanntlich mit herabgelassenen Hosen schlecht möglich. Und vor allen Dingen : Wer lässt sich bei dieser wichtigen Tätigkeit am Sonntag morgen um 8Uhr – so spät war es mittlerweile – stören?
Als nach einer Viertelstunde sich dann doch das Fenster in der Wohnung des Schwiegervaters öffnete bat Charles B. dringend um die Herausgabe der Wohnungsschlüssel. Dieser flog alsbald aus dem Fenster und in seine Hand! Geschafft! Dacht er. Denn an der Wohnungstür - in etwas nasser Schlafanzughose, Unterhemd und Schlappen ohne Brille und Gebiss – angekommen musste er feststellen, das im Herbst ein neues Schloss eingebaut worden war. Kacke am Stock ist auch `ne Blume! In höchster Not klingelte nochmals Sturm, doch - siehe oben. Also mussten doch die Nachbarn geweckt werden – er musste telefonieren. Denn das wusste Charles B.: Am Bett seiner Frau steht das Telefon und das hört sie! Nach mehrmaligen Läuten wurde ihm durch einen Nachbarn, dem man die durchzechte Nacht allzu deutlich ansah, geöffnet. Die Augen dieses Herren waren so dick, das man sie mit einer Latte hätte abhauen können. Charles B. fiel - in etwas nasser Schlafanzughose, Unterhemd und Schlappen ohne Brille und Gebiss – auf die Knie und flehte um ein Telefon. Sein Gegenüber zog mit lässiger Geste ein Handy aus dem Pyjama und reichte es ihm.
Nun war die Rettung nah, denn schon nach dem 15. Klingeln erwachte seine Frau und nahm ihn - in etwas nasser Schlafanzughose, Unterhemd und Schlappen ohne Brille und Gebiss – ins traute Heim zurück.

So geschehen am 06.Mai im Jahre des Herren 2001.











Nachsatz: Diese Geschichte wurde durch Charles B. in geselliger Runde in unserm Vereinshaus erzählt und allgemein geglaubt.
Ein Jahr nach seinem viel zu frühen Tode wurde die Witwe um die Erlaubnis zur Veröffentlichung der Story gebeten.
Sie sah den Erzähler – einen langjährigen guten Freund – mit großen Augen an und sagte: „Weist´e was? Der hat Euch einen dicken Bären aufgebunden. Von der Geschichte ist nichts wahr!“



Wir haben uns nachträglich noch mal köstlich amüsiert und sind unserem Freund dankbar für den doppelten Spaß!

Ez.